Unser nächstes Etappenziel war Brindisi. Das kannten wir vom letzten Jahr. Es war wieder schön am Stadtkai längsseits festzumachen. Diesmal war es mir, Gott sei Dank, nicht möglich eine dicke Macke in den Lack der lei lei zu hämmern. Eine massive Kette verlief letztes Jahr, knapp über der Wasseroberfläche, an der Kaimauer entlang. Ich hatte die Fender nicht tief genug gehängt. Man hatte aufgerüstet. Schwarze Gummipuffer säumen nun den gesamten Anleger. Radiergummiähnlich wird deren Abrieb bei jeder Wellenbewegung, in den Bootsrumpf, oberhalb des Wasserpasses einmassiert. Besser als Macken! Danke.
Die Beseitigung der Spuren steht auf unserer To-Do-Liste (lästige Liste).
Wolfgang hatte Geburtstag. Es gab für ihn einen saftigen Marmorkuchen. Mit aufgespießten Kerzchen verwandelte ich ihn zur grandiosen Geburtstagsüberraschung. Alles selbst gekauft im Euro-Spin-Supermarkt. Nachdem die Kerzen ausgepustet waren, stand für das Geburtstagskind ein Besuch beim Herrenfrisör an (war auch nötig). Zur feier des Tages durfte Wolfgang anschließend in einem China-Shop stöbern und sich Dinge aussuchen, die auf seiner Wunschliste standen. Ich spendierte Pinsel, Gummihandschuhe, Zahnpasta (für empfindliche Zähne), Deoroller und Boxershorts. Was für ein Fest!
Tags darauf nutzten wir mal wieder eine italienische Bahnverbindung. Diesmal von Brindisi in die Provinzhauptstadt Lecce. Unglaublich viele reichverzierte Bauwerke aus Sandstein ließen in eine prächtige und wohlhabende Zeit eintauchen. Besucher, sehr viele heimatinteressierte Italiener, bekommen dort die Gelegenheit in gepflegtem und feinem Ambiente zu bummeln, filigrane Steinmetzkunst zu bestaunen und sich dem Charme einer längst vergangenen Zeit hinzugeben (perfekte und häufig genutzte Hochzeitskulisse).
Weiter ging es Richtung Süden. Otranto ist die östlichste italienische Stadt. Unser Anker fand guten Halt in der Bucht davor. Wieder einmal eine historische Stadt, ähnlich wie wir sie bereits kennen. Auffällig sind mächtige Schutzmauern-, gräben und massive Wehrtürme. Natürlich war Otranto auch schon Jahrhunderten das erste "Land in Sicht!", wenn man östlicher oder südöstlicher Richtung über das Meer kam. Die, die kamen, wollten Landgewinn, Macht, erhofften Reichtümer oder wollten einfach ein neues Leben anfangen. Nicht selten lösten nämlich auch Naturphänomene Fluchtwellen aus. Auf der Suche nach neuen Lebensräumen mit besseren Lebensbedingungen, versuchte man gewaltsam zu nehmen, bekam es oftmals auch, bis der Nächste kam und es nahm. Es ging also hoch her. Als Überfallener war man nicht bereit sich den fremden Sitten und Religionen der neuen Machthaber zu unterwerfen. Dieser war weder diskussions- noch kompromissbereit. Nach kurzem Prozess floss reichlich Blut. Diese Informationen habe ich aus einem Text zur Historie der Stadt Otranto. Außerdem bin ich beim Lesen der Frankfurter Rundschau auf das Thema aufmerksam geworden: Flüchtlingswellen in der Historie aufgrund von Naturkatastrophen (z.B. Vulkanausbrüche, mehrjährige Dürren oder anhaltende Fluten).
Wenn ich heute die Welt um mich herum betrachte stellt sich mir die Frage: Was hat sich in unserer gebildeten, globalen Welt geändert?
Die Menschen und ihr verantwortliches Zusammenleben jedenfalls nicht.
D-61476 Kronberg