Unterwegs im Straßenverkehr. Sieht man ein Stoppschild heißt es: Anhalten, Vorfahrt gewähren. Sieht man kein Stoppschild heißt es: Freie Fahrt. Ampeln habe ich keine vor Augen, ebensowenig Ordnungshüter, die widerrechtliches Parken, fahren ohne Gurt oder Helm, geahndet hätten. So einfach geht´s. So ist das in Messolonghi. Niemand hupt, keiner schreit, wenn man für den Coffee to go mal eben kurz vor dem passenden Laden parkt, ohne eine, dafür vorgesehene, Lücke erwischt zu haben. Das Fahrrad wird gerne genutzt von Jung und Alt. Geparkt wird der Drahtesel im Rinnstein oder auf dem Gehweg. Passt schon.
Ich habe den Eindruck, dass alle Erledigungen des Alltäglichen vormittags abgearbeitet werden. Größere Supermärkte sowie unzählige kleine Fachhändler bieten hierfür ein reiches Angebot. Das Fehlen von Warenhäusern sorgt dafür, dass jedes kleine Geschäft seine Daseinsberechtigung hat und überlebt. Um ein Uhr schließen die Meisten und es kehrt Ruhe ein, bis am späten Nachmittag wieder aufgesperrt wird. Auch Wolles Lieblingsbarber sorgt bis in die Nacht hinein für das perfektes Styling der Herren (10 € bis 12 €, je nach Laune zweimal waschen, zweimal schneiden, zweimal fönen, Augenbrauenkorrektur selbstverständlich).
Sowie es die Außentemperaturen erlauben sitzt man draußen, isst, trinkt und plaudert. Abends flanieren Teenies, im coolen Look, in Dauerschleife. Jeder und jede will ausloten, wie das Angebot in Punkto Traumfrau/mann ist und wie die eigenen Chancen stehen. Ein Spiel was es schon immer gab und immer geben wird.
Sie ist keine Schönheit, hat keine noblen Viertel. Kaum Prächtiges findet man in Messolonghi. Vor 200 Jahren haben sie heldenhaften Mut bewiesen, die Messolonghianer. Tapfer wehrten sie sich gegen die Osmanen. Die Revolution hatte die Gründung des griechischen Staates zur Folge. Todesopfer, Leid und Zerstörung waren der hohe Preis dafür. Kurz vor Ostern (nicht zeitgleich mit dem Deutschen Osterfest) gedenken dutzende authentisch, historisch gekleidete Gruppen in einer von Stolz, Trauer und Ehrfurcht geprägten Parade, dieser Zeit. Musikvereine begleiten den Festzug. Entdeckt man lange perfekte, bunt lackierte, künstliche Fingernägel so mancher vorzeitlich kostümierter Teilnehmerin, weiß man, dass die Zeit nicht stehengeblieben ist. Aus dem hier und jetzt lebt die Erinnerung und bleibt hoffentlich als Mahnmal in den Köpfen.
Zeugnis dafür, wie viele Kleinstbauern in der Region wirtschaften, ist der samstägliche Wochenmarkt. Frisches, saisonales Obst und Gemüse (Banane und Ananas sind als Irrläufer nicht erwähnenswert) werden zu unglaublich günstigen Preisen verkauft. Markthändlerüblich gibt es am Ende immer noch was gratis obendrauf. Mein Fahrradkorb kam an seine Kapazitätsgrenzen.
Ein Eldorado für jeden Vegetarier.
Es wird Zeit dieser Stadt Adieu zu sagen.
Adieu zum kompetenten Sanitärhändler mit seinen stets passenden Ventilen und Schlauchverbindern. Die Sprachbarriere war erheblich - verstanden haben wir uns trotzdem.
Adieu zum Pizzabäcker. Hager, grauer Zopf im Nacken. Markantes Fotomotiv in schwarz weiß für eine Künstlerin. Das Portrait schaffte es in ihre Ausstellung. Seine virtuose Beherrschung des langstieligen Pizzaschiebers sorgt täglich dafür, dass hinterrücks nichts zu Bruch geht. Beste Pizza Griechenlands (nach Aussage des Chefs).
Adieu und danke für das wunderbare Livekonzert auf dem Bürgersteig. Band und Sängerin erinnerten uns an die grandiose Amy Winehouse.
Adieu Marina Messolonghi für das, nicht immer kuschelige, Winterlager. Serviceleistungen und Zuverlässigkeit klammern sich an ein mittelmäßiges Niveau.
Aber sympathisch war es.
Messolinghi, die Kleinstadt an der Lagune im Golf von Patras. Man muss sie erleben. Von Mal zu Mal wird sie schöner und liebenswerter.
D-61476 Kronberg