Vom Paradies bis zur Kloake
Kalabrien - August 2022
Durch die Straße von Messina erreichten wir Kalabrien, die südlichste Provinz von Italiens Festland. Ich war gespannt auf Stiefelspitze, Sohle und Absatz. Geplant war, weiter an der Ostküste bis Vieste zu segeln und von dort aus rüber nach Kroatien. Aber so sollte es nicht kommen. Übrigens - Vieste ist ein Küstenstädtchen am Sporen von Italiens Stiefel. Hier verbrachte ich meinen ersten Urlaub ohne Eltern, dafür mit Freundin Trixi. Es war ein Back-Packer-Trip und das vor 40 Jahren. Ein Spediteur nahm uns im LKW mit, bis in die Nähe unseres Urlaubsortes. Zum Ziel sollte uns ein Zug weiterbefördern. Der fuhr aber nicht. Bei hereinbrechender Dämmerung stellten wir uns mit dem Daumen nach oben an die Dorfstraße. Ein netter Einheimischer gabelte uns auf, fuhr uns in seinem offenen Citroen DS Cabriolet bis zum gebuchten Campingplatz, half uns beim Aufbauen unserer Zelte und verabschiedete sich mit einem freundlichen "Arrivederci".- Wahrscheinlich glaube ich seither an das Gute im Menschen.
In der Einfahrt in die Straße von Messina erwischte uns eine kräftige Regendusche. Beim Studieren der Seekarte hatte wir schon festgestellt, dass auf unserer Route schützende Buchten und Häfen Mangelware sind. Zum ersten Verschnaufen hatte wir einen Liegeplatz in der "Marina di Porto Bolaro", südlich der Stadt Reggio, gebucht. Wir näherten uns mittels der Seekarte, konnten allerdings nichts erkennen, was einer Marina ähnelt. Wind und Wellen ließen auf nichts Gutes hoffen. Endlich winkte uns ein Marinero von Weitem heran. Wir fassten Mut. Trotz größter Skepsis legten wir an einem Holzsteg längsseits an. Helfende Hände und ausreichend Festmacher ließen unsere lei lei, in völlig ruhigem Wasser, entspannen. Wir blickten uns um: Wenige, kurze Holzstege, ein auf Pfählen errichtetes Restaurant, ein kleines Cafe, ein idyllischer Park mit Liegen, glasklares Wasser, naturdrappierte Felsen und badende Menschen. Wir lagen in Mitten eines Naturschwimmbeckens. Anstatt einer, gönnten wir uns zwei Nächte in diesem Paradies. Ein seltenes Zuckerl für mich war ein Einkaufszentrum, und das fußläufig. Endlich mal wieder bummeln und natürlich auch ein paar Schnäppchen jagen. Herrlich!
Die Weiterreise wurde uns durch ständig aufkommende Gewitter erschwert. Von See aus betrachtet erweckte die Landschaft Lust aufs Erkunden. Besucht man eine Ortschaft, ist die Enttäuschung groß. Ärmliche, nicht fertiggebaute Häuser, umherliegender Müll und viele Touristen, die diesbezüglich wohl schmerzfrei sind. Genießen geht anders.
Das Erlebnis des Grauens war ein Bucht bei "Le Kastella". Ein Campingplatz, einige kleine Hotels und Appartementhäuser, das war es. Wir ankerten, waren aber auf Grund des hohen Quallenaufkommens nicht im Meer baden. Um Mitternacht hatte ich einen Traum zum Thema übelriechender Toiletten. Ich wachte mit der Feststellung auf, dass der Traum zwar vorüber war, der Gestank allerdings mitnichten. Die Beleuchtung des Wassers ließen das Grauen deutlich erkennen. Braune Fäkalströme wohin das Auge reichte. Unsere lei lei schwamm in einer Kloake. Anker auf und nichts wie weg.
Die Gewitter bissen sich fest. Ab dem italienischen Absatz hatten wir die Faxen dicke. Der herrschende Westwind war ein gutes Angebot. Wir griffen zu und setzen einige Stunden später, bei eingebrochener Dunkelheit, unseren Anker vor der griechischen Insel Othonoi. Endlich Ouzo, Feta, Moussaka und hübsche, klassische griechischen Stühle. Die kennt man doch - oder? Blau lackierte Holzstühlchen, eine sehr aufrechte Rückenlehne ohne Polster, geflochtene, leicht durchgesessene, kurze Sitzfläche. Egal wenn der Po und Schenkel irgendwann schmerzen. Hauptsache kein schweißiger Plastikstuhl. Übrigens - total im Trend sind ja outdoor Loungemöbel, auch in der Gastronomie. Also Sofas und Sessel für draußen. Sieht fein aus, keine Frage. Aber denkt doch mal selbst ... Einen Plastikstuhl könnte man zumindest abwischen.